In den letzten Wochen ist ein Thema durch die Medien gegangen, das in seiner Art bislang relativ einzigartig ist: Bitcoin, eine neue Währung im Internet? Oder, genauer: Ein neues Zahlungsmittel im Internet, denn Währungen werden per definitionem von Zentralbanken herausgegeben und sind offizielle, gesetzlich unterfütterte Zahlungsmittel. (Danke für entsprechende Hinweise!)
Selbstverständlich gab und gibt es unzählige Versuche, neue oder parallele Zahlungsmittel zu etablieren. Keines war aber bislang so gut durchdacht, hatte in meinen Augen so viel „Hand und Fuß“ und bot so wenig Möglichkeiten für Betrug (vor allem durch die Erfinder), wie das bei Bitcoin der Fall ist.
Gerade in Deutschland fand man auch selten zuvor so viel Medienaufmerksamkeit für parallele Zahlungsmittel. Wenige Kommentatoren scheinen das System aber wirklich zu durchschauen; deshalb hier einige Erklärungen:
Was ist Bitcoin?
Bitcoin ist ein Zahlungsmittel; analog zu EUR wird es als BTC geschrieben. Es gibt keine Geldscheine; wie ein Großteil des Geldes etablierter Währungen auch existiert Bitcoin nur virtuell.
Größter Unterschied zu etablierten Währungen: Ausgegeben wird Bitcoin nicht von einer zentralen Instanz, der man vertrauen muss, sondern von einem riesigen P2P-Netzwerk einzelner Computer, von denen keiner einfach die Kontrolle übernehmen und andere „abzocken“ kann.
Wie funktioniert das?
Das ist nicht in ein paar Sätzen zu erklären.
Wichtig für den Anwender: Man hat eine „Wallet“, einen Geldbeutel also, in Form einer Datei auf der Festplatte. Dort sind die Berechtigungen gespeichert, die es einem ermöglichen, über das Geld zu verfügen, das einem gehört. (Backups sind also wichtig! Ist die Datei weg, ist auch das Geld weg!)
Mit einer Client-Software für das Bitcoin-Netzwerk kann man dann Beträge an andere versenden. Der Empfänger erhält praktisch sofort die Notiz, dass ich Geld an ihn versende, so gut wie hundertprozentig sicher sein, dass hier kein Betrugsversuch vorliegt, kann er sich nach etwa einer Stunde.
Ist das ganze sicher?
Kurze Antwort: Ja.
Die Details würden den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber durch das Design des Netzwerks ist es fast unmöglich, mit Hilfe des Netzwerks selbst Betrug zu begehen. (Sich bezahlen lassen und dann keine Ware liefern geht natürlich trotzdem.) Man bräuchte ungeheure Rechnerfarmen mit unvorstellbaren Rechenkapazitäten, und damit könnte man dann nur einige wenige Transaktionen fälschen – wenn man Glück hat.
Wenn man über diese Kapazitäten verfügt, ist es zudem finanziell wesentlich attraktiver, sie als Teil des Netzwerks bestimmungsgemäße Berechnungen durchführen zu lassen. Damit kann man nämlich eine ganze Menge Geld verdienen, und das auch schon mit kleineren Kapazitäten.
Ist Bitcoin gefährlich für Gesellschaft und/oder Wirtschaft?
Solche Behauptungen gab es in letzter Zeit von verschiedenen Stellen zu hören. Sie werden entweder von Institutionen gestreut, die sich in ferner Zukunft evtl. wirklich vor Bitcoin fürchten müssen, oder von Leuten, die Bitcoin nicht verstanden haben.
Grundsätzlich kann man Bitcoin natürlich, wie alle anderen Zahlungsmittel, für illegale Geschäfte benutzen. Es hat gegenüber Bargeld den Vorteil, dass man nicht riesige Koffer herumtragen muss, um größere Geldmengen zu transferieren, aber auch deutliche Nachteile (aus Sicht Krimineller):
Alle Bitcoin-Transaktionen sind für alle öffentlich einsehbar und nachverfolgbar. Das ist Teil dessen, wie das System an sich funktioniert, und wird auch immer so bleiben. Bitcoin ist insofern nicht anonym, wie häufig behauptet wird, sondern nur pseudonym – echte Anonymität kann nur Bargeld bieten.
Der Partner in einer Transaktion kennt erst einmal nur eine kryptische Adresse des anderen, wie die, die hier in der rechten Spalte bei Spenden unter Bitcoin zu sehen ist. Da etwa ein Internethändler diese Adresse aber einer tatsächlichen Lieferadresse zuordnen kann, ist es dann mit der Anonymität nicht mehr weit her.
Das gilt so zwar nur eingeschränkt, weil jeder hunderte solcher Adressen haben kann und mit der Zeit haben wird (alle gemeinsam in der Wallet gespeichert), und jederzeit Geld von einer Adresse in eine andere transferieren kann. Mit Verschiebungen über Drittadressen ist es schon möglich, Geldströme zu verschleiern.
Trotzdem ist bei Bitcoin sehr viel mehr sicht- und nachvollziehbar, als das bei Bargeld der Fall wäre.
Dadurch, dass ich die nebenstehende Empfangsadresse öffentlich gemacht habe, kann zum Beispiel jeder nachvollziehen, wie viel BTC ich schon als Spenden für das Blog erhalten habe. (Zum aktuellen Zeitpunkt: 0 :-) )
Weiterhin ist das Bitcoin-„Konto“, die Datei wallet.dat, nicht dem direkten Zugriff des Staates ausgesetzt. Solange also niemand das Speichermedium in die Finger bekommt, auf der sie gesichert ist, kann nichts gesperrt, gepfändet oder konfisziert werden.
Das bedeutet also: Bitcoin lässt vor dem Zugriff des Staates durchaus mehr verschwinden als der normale Zahlungsverkehr über Banken und Kreditkarten. Bargeld aber ist in dieser Hinsicht noch viel „gefährlicher“.
Rein theoretisch könnte Bitcoin irgendwann zu einem veritablen Konkurrenten des klassischen Zahlungsverkehrs werden. Vorteile: Die Transaktionskosten sind viel geringer und weltweit identisch, und man muss keinem Dritten (Bank/Staat) vertrauen. Das könnte rein theoretisch andere Zahlungssysteme mit der Zeit zurückdrängen. Ob es je soweit kommt, wird sich zeigen.
Sollte irgendwann der – meiner Meinung nach recht unwahrscheinliche – Fall eintreten, dass Bitcoin die traditionellen Währungen weitgehend ersetzt, sehen viele Theoretiker in der deflationär angelegten Natur von Bitcoin ein Problem: Bei wachsender Wirtschaft würden Preise (und natürlich auch Löhne!) ständig sinken, es wäre schwieriger, an Hochrisikokapital zu kommen, weil Bitcoin sich selbst gewissermaßen schon verzinst, etc. Genau darin sehen andere wiederum den großen Vorteil gegenüber dem derzeitigem Wirtschaftssystem, da der Anreiz zum Schuldenmachen wegfällt und dadurch theoretisch eine stabilere Wirtschaft entstehen könnte.
Ich werde mich als Laie in diese Diskussion nicht einmischen, sehe von meinem Standpunkt aus in der deflationären Natur aber durchaus eher Vorteile, sofern sich die Bevölkerung an psychologisch ungünstige Gegebenheiten wie eben ständig sinkende Löhne gewöhnen kann.
Wie entsteht Bitcoin? Wer gibt es aus?
Bitcoin wird berechnet.
In groben Zügen: Damit eine Transaktion als ausgeführt gilt, muss sie in einen sogenannten Block aufgenommen werden, in dem für die darin enthaltenen Transaktionen (und gleichzeitig alle vorher jemals kreierten Blöcke) ein spezieller Hash berechnet wird. Eine solchen Hash zu finden bedeutet enormen Rechenaufwand (zufällig ganz, ganz, ganz viele Möglichkeiten durchprobieren). Wer es geschafft hat, erhält als Belohnung 50 BTC und die Transaktionsgebühren, die von den Transaktionsabsendern freiwillig beliebig festgelegt werden können (auch null).
Dabei gewinnt nicht einfach der, der am meisten Rechenleistung zur Verfügung hat: Es gleicht eher einer Lotterie, man probiert so viele mögliche Lösungen durch, wie man kann, und irgendwann ist vielleicht zufällig eine richtige darunter. Leute mit mehr Rechenleistung haben sozusagen mehr Lose und damit mehr Chancen, eine Lösung zu finden. Aber auch mit ganz wenig Rechenpower ist die Chance nicht null, solange die Leistung zumindest ausreicht, um innerhalb der durchschnittlichen Zeit bis zum Finden des nächsten Blocks wenigstens einen Lösungsversuch auszuprobieren (manche Grafikkarten schaffen über 100 Millionen Lösungsversuche pro Sekunde).
Die Schwierigkeit, so einen Block zu finden, wird immer der Gesamtrechenleistung des Netzes angepasst, so dass durchschnittlich etwa alle 10 Minuten ein Block gefunden wird.
In der Praxis schließen sich viele Nutzer zu „Pools“ zusammen. So erhalten sie zwar nur ihren Anteil an den 50 BTC, wenn ein Block gefunden wird, dafür gibt es aber auch regelmäßig ein bisschen Geld, nicht erst, wenn man nach Monaten oder gar Jahren des Rechnens mal Glück gehabt hat.
Da die Gesamtmenge an BTC, die es je geben wird, auf 21 Millionen festgelegt ist (deshalb auch deflationär), werden die „Miner“ irgendwann nur noch von den Transaktionsgebühren leben – und spätestens dann wird die Geschwindigkeit, wie schnell eine Transaktionen bestätigt wird, von den abgegebenen Transaktionsgebühren abhängen.
Damit bei steigendem Wert noch sinnvoll gezahlt werden kann, kann ein BTC momentan bis zur 8. Zehnerpotenz aufgeteilt werden. Die kleinste Einheit ist also 0.00000001 BTC. Notfalls lässt sich das später aber auch noch einmal verkleinern.
Was kann ich mit Bitcoins eigentlich machen?
Im Moment noch nicht allzu viel. Es gibt noch sehr wenige Händler, die direkt Bitcoins annehmen, und wegen der Wechselkursrisiken vermute ich auch, dass es nicht so schnell mehr werden werden.
Wenn der Empfänger Bitcoins annimmt, könnte es der wesentlich billigere (und schnellere) Weg sein, um eine Überweisung auszuführen, vor allem, wenn es eine Auslandsüberweisung aus der EU heraus ist.
Ansonsten kann man mit Bitcoins momentan vor allem eins: Spekulieren.
Es gibt diverse Börsen, an denen traditionelle Währung in BTC getauscht werden kann. Die größte ist MtGox, zum direkten Umtausch von Euro in BTC ist momentan bitmarket.eu die beste Wahl.
Die Wechselkurse sind in den letzten Monaten extrem in die Höhe geschossen, das hat einige (vor allem Leute, die von Anfang an dabei waren) sehr reich gemacht. Ob das so bleibt, steht aber völlig in den Sternen.
Und, ist das gut? Soll ich mitmachen? Was wird daraus einmal werden?
Tja, das ist die große Frage.
Durch die mediale Aufmerksamkeit in den letzten Monaten hat sich die Zahl der User vervielfacht – und auch der Wert eines Bitcoins. Anfang des Jahres lag er noch bei etwa $1, heute sind wir bei um die $30. Der Eurowert liegt momentan bei etwa € 20,–. Anfang der Woche waren es noch € 15,–.
Das weckt natürlich die Gier.
Bitcoin-Nutzer waren bis vor kurzem noch in erster Linie Idealisten, die sich von einem nicht kontrollierbaren, deflationär angelegten Zahlungsmittel eine bessere Welt ohne Finanzcrashs erhofften.
Heute dürfte die Mehrzahl vor allem den schnellen Gewinn im Auge haben.
Entsprechend groß ist natürlich die Gefahr einer Spekulationsblase. Auslöser für einen größeren Absturz könnten neben einer Marktsättigung (die allerdings vmtl. noch gutes Stück weit weg ist) vor allem Versuche sein, das Zahlungsmittel staatlicherseits zu verbieten.
Erste Vorstöße in diese Richtung laufen in den USA bereits, wo Wall-Street-nahe Senatoren versuchen, Bitcoin verbieten zu lassen, weil es das Zahlungsmittel der Drogenhändler sei. Eine Pressemitteilung des Bundesverbandes Digitaler Wirtschaft ging in ähnliche Richtung.
Zwar wird es wegen der P2P-Natur des Netzes nahezu unmöglich sein, Bitcoin ganz von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Sollten aber große Börsen wie MtGox plötzlich geschlossen werden, wäre das ein empfindlicher Schlag gegen Bitcoin, würde viele Spekulanten dazu bewegen, Bitcoin wieder zu verlassen und würde den Kurs kräftig abstürzen lassen. (Allerdings scheint MtGox in Japan zu sitzen, was den Zugriff der US-Justiz zumindest erschweren dürfte.)
Einige „alte Hasen“ aus dem Bitcoin-Forum wünschen sich genau das, um die lästigen „money people“ wieder loszuwerden und ungestört weiter am eigentlichen Zweck von Bitcoin arbeiten zu können.
Tatsächlich ist das ein zweischneidiges Schwert: Einerseits ist Popularität genau das, was das Netzwerk braucht, um weiter dem Zweck entgegenwachsen zu können, für den es eigentlich geschaffen wurde. Andererseits muss unweigerlich irgendwann Schluss sein mit dem Hochschießen der Kurse, und zwar nicht nur mit einem kleinen Dämpfer, wie er wahrscheinlich (?) im Moment zu beobachten ist, sondern mit einem kräftigen Rückschlag.
Vermutlich wird die Art dieses Ereignisses (oder dieser Ereignisse) letztlich darüber bestimmen, wie populär Bitcoin in der ferneren Zukunft sein wird, und ob es sich neben seiner aktuellen Rolle als Spekulationsobjekt wirklich als alternatives Zahlungsmittel wird platzieren können.
Ich würde jedenfalls niemandem, der sich nicht ganz genau darüber bewusst ist, was er da tut, zur Investition in Bitcoins raten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Risiko extrem hoch, und erst über die Jahre wird sich zeigen, wo Bitcoin sich hinentwickelt. Gerade Auswüchse, von denen man immer wieder hört, wo Leute sich Geld leihen, um es dann in Bitcoins zu investieren, gehören definitiv in die Kategorie „Probieren Sie das nicht zu Hause!“
Das Ausmaß des Handels an den BTC-Börsen sollte man nicht unterschätzen: Allein bei MtGox übertrifft der tägliche (!) Umsatz inzwischen meist eine Million US-Dollar.
Nicht selten ist auch der Kauf von spezieller Hardware, um „Bitcoin Mining“ zu betreiben. Im kleinen Rahmen ist das aber fast noch risikoreicher, weil die Anfangsinvestition relativ hoch ist und mit der Erhöhung des Schwierigkeitsgrades immer weniger BTC als Einnahme zurückfließen. Weder die zukünftigen Schwierigkeitsgrade noch die Wechselkurse sind ernsthaft vorhersagbar. Rechnet man die Stromkosten mit ein, wird es außerdem zunehmend schwierig, überhaupt von einem Gewinn auszugehen – außer man setzt darauf, dass die Kurse weiter in den Himmel steigen.
Für Interessierte lohnt es sich aber sicher, ein paar Euro zu tauschen und ein wenig mit dem Netzwerk zu experimentieren. Besonders schön wäre es, wenn es mehr Möglichkeiten gäbe, BTC direkt bei Händlern auszugeben.
Fazit
Bitcoin ist ein sehr interessantes Projekt, das viel Potenzial hat. Momentan taugt es leider vor allem zur Spekulation mit hohem Risiko und wird dafür auch reichlich genutzt.
Bleibt zu hoffen, dass Kontrollverlustängste seitens der Finanzmärkte und seitens der Staaten nicht irgendwann dazu führen, dass Bitcoin durch Verbot und Schließung wichtiger Handelsplätze wieder in der Bedeutungslosigkeit versinkt – und dass übermäßige Spekulation nicht zu einem ähnlichen Ergebnis führt.
Kleine Link-Auswahl
Bitcoin-Homepage mit Software-Download und weiteren Links
Bitcoin-Wiki mit allen wichtigen Informationen und Hilfe
Bitcoin-Forum
Block Explorer: Durchsuchbare Datenbank aller Bitcoin-Blöcke und -Transaktionen
bitcoincharts.com: Übersichtliche Darstellung der Marktentwicklung auf vielen Bitcoin-Börsen
Freitag, 10. Juni 2011
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Aber hallo!
AntwortenLöschenWenn man nicht sau blöd ist, verwendet man für jede Transaktion eine andere Adresse, somit ist diese zwar geloggt und öffentlich einsehbar, jedoch immer noch völlig anonym.
Und ein Pseudonym ist etwas ganz anderes. Das war wohl ein Schuss in den Ofen.
Wie oben geschrieben: Natürlich ist es möglich, die Geldströme komplett zu verschleiern. Das ist aber nur teilweise ein automatisch eingebautes Feature von Bitcoin, da muss man sich schon darum bemühen und es mit Absicht betreiben.
AntwortenLöschenUnd wenn man eine Empfänger-Adresse öffentlich angeben will, um etwa Spenden zu erhalten, lässt sich gar nichts mehr verheimlichen.
Klar, wenn das Finanzamt kommt und Einkommensteuer haben will könnte man immer noch behaupten, das sei die Adresse einer gemeinnützigen Organisation, die man mit den Erlösen aus dem Blog bedenken wollte, die aber nicht genannt werden will, oder ähnliches (ob man damit durchkäme, ist eine ganz andere Frage). Die Geldströme an sich sind aber auf jeden Fall erst einmal sichtbar.
Vor allem da die Konten "nichts" kosten, kann man ruhig verschiedenste Adresse für verschiedenste Transaktionen anlegen, daher ist der Sicherheitsfaktor doch erheblich hoch.
AntwortenLöschenGrüße,
myBitcoin.de
Seit einigen Wochen sind die Wechselkursrisiken relativ gering, weshalb ich mich auch mal aktiv mit dem Bitcoin beschäftigt habe. Habe Bitcoins auf www.bitcoin.de immer für ca. 4,00 bis 4,50 Euro gekauft. Daher denke ich die Zeiten der Spekulation sind vorbei. Jetzt geht es darum mit dem Bitcoin aktiv zu bezahlen oder sich damit bezahlen zu lassen :-)
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