Donnerstag, 13. Oktober 2011

Elektroautos und ihre Batterien

Man liest es immer wieder: Die Akkus sind die Achillesferse aller aktuellen Elektroautos.
Sie sind schwer, nehmen Platz weg, und vor allem: Sie sind sehr, sehr teuer. Bei vielen Elektroautos ist die Batterie für mindestens ein Drittel des Kaufpreises verantwortlich, teils ist es sogar die Hälfte.
In diesem Artikel soll es um verschiedene Batterietechnologien und ihre Vor- und Nachteile gehen, außerdem um Finanzierungskonzepte, die die Autohersteller ersonnen haben.

Grundwissen
Hier zunächst einige wichtige Fachbegriffe und Grundlagen rund um das Thema Akkumulatoren:
Die Energiedichte beschreibt, wie viel Kapazität pro Masse in einem Akku untergebracht werden kann. Sie gibt also einen Vergleichwert an, der besagt, wie schwer Akkus bei gleicher Kapazität sind.
Unter Leistungsdichte versteht man die Energie, die pro kg Batteriegewicht gleichzeitig abgerufen werden kann. Starke Elektromotoren benötigen beim Beschleunigen recht viel Energie auf einmal, was bei älteren Akkutypen dazu führt, dass mehr Akkus eingebaut werden müssen, um sie beim Beschleunigen nicht zu überlasten.
Zu beachten ist, dass manche Batterietypen bei starker Beanspruchung unerwünscht reagieren: Der Innenwiderstand des Akkus erhöht sich. Dadurch wird die Batterie noch heißer, als sie bei der hohen Leistungsabgabe ohnehin schon würde, und der Energieverlust erhöht sich, d. h. die Batterie kann weniger von ihrer eigentlichen Kapazität an den Motor abgeben, die Reichweite verringert sich.
Ladezyklen sind die Anzahl der kompletten Ladungen (von komplett leer auf ganz voll), die bei einem Akku durchgeführt werden können, bis seine Kapazität auf einen bestimmten Wert abgesunken ist. Sie beschreiben also (zum Teil) die zu erwartende Lebensdauer des Akkus.
Leider ist der Bezugswert nicht immer einheitlich; teils wird von 75% der ursprünglichen Kapazität ausgegangen, teils von 80%. Der 80%-Wert scheint weiter verbreitet zu sein; häufig fehlt aber jegliche Angabe, auf was sich die Ladezyklen eigentlich beziehen.
Dabei ist zu beachten, dass ein Ladezyklus eine komplette Ladung beschreibt. Wird die Batterie also an einem Tag zur Hälfte leergefahren, dann wieder aufgeladen, und am nächsten Tag wieder, dann entspricht das insgesamt einem Ladezyklus, nicht zweien. Es geht nicht um die Frage „Wie oft kann ich den Akku ans Ladegerät hängen?“, sondern um die Frage „Wie oft kann der Akku komplett geladen werden?“
Da heutige Batteriekonzepte nicht mehr mit dem Memory-Effekt zu kämpfen haben, ist es auch kein Problem, die Batterien immer wieder nur zum Teil aufzuladen.
Hier eine Beispielrechnung dazu, was Ladezyklen in der Praxis bedeuten (ohne Berücksichtigung der zyklenunabhängigen Alterung, siehe weiter unten):
Angenommen, mein Elektroauto hat mit der eingebauten Batterie eine (tatsächliche) Reichweite von etwa 80 km. Ich fahre täglich damit zur Arbeit, hin und zurück insgesamt 40 km. Wenn ich nicht arbeite, nutze ich das Auto nur wenig. Die Batterie soll laut Herstellerangabe 1000 Ladezyklen überstehen, bevor sie unter eine Kapazität von 80% fällt.
Das bedeutet: Pro Arbeitstag fällt etwa ein halber Ladezyklus an. Bei einer Fünf-Tage-Woche, 30 Tagen Urlaub im Jahr, Feiertage weggerechnet, bleiben etwa 220-225 Tage, an denen tatsächlich gearbeitet wird – und da sind Krankheitstage noch nicht mitgerechnet. Runden wir das trotzdem auf 240 auf, um die (geringe) Nutzung an Nicht-Arbeitstagen mit einzubeziehen.
Damit ergeben sich 120 Ladezyklen im Jahr, die theoretische Lebensdauer der Batterie würde also bei über acht Jahren (mehr als 70.000 km) liegen. Um auf der sicheren Seite zu sein (auch weil die Reichweite im Winter mit Heizung sicher geringer ist und am Tag mehr als ein halber Ladezyklus anfällt), reduzieren wir unsere Erwartung auf fünf Jahre. Das entspricht bei dieser Rechnung dann 48.000 km.
Kaputt ist die Batterie dann aber keineswegs, die Kapazität hat sich lediglich auf 80% reduziert. Sofern mir die reduzierte Reichweite genügt (auch im Winter mit Heizung), kann ich noch eine ganze Weile mit der gleichen Batterie weiterfahren.
Zu beachten ist dabei aber weiterhin, dass Batterien auch ohne Nutzung altern und mit der Zeit an Kapazität verlieren. Momentan kann man wohl davon ausgehen, dass mit mindestens 3-5 Jahren Nutzungsdauer gerechnet werden kann.
Bei diversen Batterietypen ist es wichtig, dass sie niemals tiefentladen und/oder überladen werden, da sie sonst kaputtgehen oder im Extremfall sogar explodieren/verbrennen würden. Entsprechend verfügen Elektroautos normalerweise über eine Lade-/Entladeelektronik, die den Ladezustand ständig überwacht und unerwünschte Situationen vermeidet.

Blei-Akkus
Prinzipiell entspricht dieser Batterietyp der Starterbatterie eines Autos, auch wenn es hier sehr unterschiedliche Ausführungen auf dem Markt gibt.
Starterbatterien selbst sind als Antriebsbatterien nicht geeignet, da sie meist nur bis zu 50 Ladezyklen überstehen, bis die Kapazität unter 75% abgesunken ist.
Verschiedene Hersteller bieten daher sogenannte Traktionsbatterien an, die länger halten. Trotzdem werden selten mehr als 500 Ladezyklen geboten, teils ist schon nach 300 Ladezyklen Schluss.
Blei-Akkus finden sich vor allem in sehr günstigen Elektroautos kleiner Hersteller.
Sie haben einige gravierende Nachteile, speziell ihre vergleichsweise niedrige Energiedichte von etwa 30 Wh/kg: Sie sind also sehr schwer.
Außerdem bedeutet die geringe Anzahl der Ladezyklen, dass die Batterien recht schnell ausgetauscht werden müssen.
Zum Verhalten bei niedrigen Temperaturen habe ich wenig gefunden. Grundsätzlich lassen sich Bleiakkus wohl zwischen -10 °C und 60 °C betreiben, allerdings scheint die Kapazität bei niedrigen Temperaturen auch abzusinken.
Im Gegensatz zu Lithium-Akkus werden Blei-Akkus schon heute fast vollständig recycelt (für Lithium-Akkus ist das bislang nur geplant).
Aber immerhin: Sie sind wesentlich günstiger als ihre Pendants mit Lithium, der Einstiegspreis in die Elektromobilität kann dadurch wesentlich geringer gehalten werden. Durch ihre negativen Auswirkungen auf das Gewicht (und somit auf den Verbrauch) und die geringe Lebensdauer sind sie in der Gesamtbetrachtung aber nicht wirklich günstiger.

Lithium-Ionen-Akkus
Lithium-Ionen-Akkus gibt es in verschiedenen Formen, die Zum Teil deutlich unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Leider sind die Angaben zu neuen Elektroautos an dieser Stelle oft nicht sehr aussagekräftig, wie überhaupt die Batterie als eines der eigentlich wichtigsten Elemente des Elektroautos kaum erwähnt und näher beschrieben wird.
Allgemein bestechen Lithium-Ionen-Akkus mit einer sehr hohen Energiedichte, die je nach Bauform bei etwa  95-190 Wh/kg liegt (die höchsten Energiedichten sind bei Lithium-Polymer-Akkus zu finden) – mithin sind sie mindestens dreimal so leicht wie Blei-Akkus, meist noch deutlich leichter. Auch in der Leistungsdichte liegen Lithium-Ionen-Akkus mit 300-1500 W/kg besser als Blei-Akkus.
Lithium-Ionen-Akkus können ein Sicherheitsrisiko darstellen: Überladung und zu starke Beanspruchung des Akkus können zu Überhitzung und im Extremfall zum Brand des Akkus führen. Das wird im Normalbetrieb durch die Elektronik verhindert.
Durch mechanische Beschädigungen an den Batterien bei einem Unfall kann es aber etwa zu einem Kurzschluss innerhalb der Batterie kommen, die dann überhitzen und Feuer fangen kann. Lithium-Brände können nicht mit Wasser gelöscht werden, werden von Wasser sogar angefacht!
Es gibt Neuentwicklungen, die dieses Verhalten durch verschiedenen Maßnahmen verhindern können. Da sich die Hersteller über Machart und Herkunft Ihrer Akkumulatoren aber meist ausschweigen, ist ohne dedizierte Nachfrage kaum festzustellen, inwiefern die Batterien über solche Techniken verfügen oder nicht.
Bei klassischen Lithium-Ionen-Akkus sinkt die abgebbare Leistung mit der Temperatur teils drastisch. Als Betriebstemperaturen sind oft Werte von 0-40 °C angegeben. Optimal sind etwa 18-25 °C.
Lithium-Ionen-Akkus sind deshalb in Elektroautos zuweilen mit Heizung und/oder Kühlung versehen, um bei jedem Wetter und jeder Belastung sicheren und möglichst optimalen Betrieb gewährleisten zu können.
Mit speziellen Elektrolyten ist aber auch der Betrieb bei weit niedrigeren Temperaturen möglich.
Grundsätzlich wäre bei klassischen Lithiumbatterien (Lithium-Cobalt) mit etwa 500 Ladezyklen zu rechnen, bis nur noch 80% der ursprünglichen Kapazität zur Verfügung stehen. Das gilt aber nur, wenn man die Entladeströme auf 0,2 C beschränkt, was im Elektroauto nicht realistisch ist. Indem von der Elektronik aber nicht die volle Kapazität genutzt wird, sondern zum Beispiel nur bis zu einem Stand von 30% der Kapazität entladen und bis 80% der Kapazität geladen wird, lässt sich die Anzahl der Ladezyklen stark erhöhen.
Lithium-Polymer-Akkus zeichnen sich vor allem durch eine nochmals höhere Energiedichte aus. Typische Werte liegen heute jenseits der 140 Wh/kg.
Lithium-Eisen-Phosphat-Akkus sind für den Einsatz im Elektroauto beinahe ideal: Sie sind deutlich temperaturstabiler und sind herstellerseitig z.B. mit Betriebstemperaturen von -20 - +45 °C (mia) angegeben und somit wintertauglich. Einziger Nachteil: Ihre Energiedichte reicht mit 100-120 Wh/kg nicht an das heran, was mit anderen Lithium-Akkus möglich ist, ist aber natürlich trotzdem im sehr guten Bereich anzusiedeln.
Sie können sehr höhe Ströme liefern (viel höher als für den normalen Betrieb eines Elektroautos notwendig) und auch mit sehr hohen Strömen geladen werden – theoretisch wäre eine komplette Ladung in 15 Minuten problemlos möglich.
So hohe Beanspruchung wirkt sich aber natürlich auch nachteilig auf die Lebensdauer des Akkus aus. Würde er nur mit 1 C entladen und geladen, wäre selbst nach 4000 Ladezyklen kaum eine Änderung der Kapazität zu erwarten, selbst bei vollständiger Entladung (die einen klassischen Lithium-Ionen-Akku schnell zerstören würde) mit 10 C ist noch mit 1000 Zyklen zu rechnen (Quelle: Wikipedia).
Die Praxis liegt dazwischen: Nehmen wir das Beispiel der mia von mia electric, die (ja, die) nächstes Jahr auf den Markt kommen soll: Sie verfügt (in der Basisversion) über eine Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie mit einer Kapazität von 8 kWh. Eine volle Ladung soll 3,5 h dauern, geladen wird also nur mit 1/3,5 C = knapp 0,29 C. Der Motor hat eine Leistung von 18 kW (laut Presse, in der Bedienungsanleitung werden 10 kW angegeben, was ich angesichts der Fahrleistungen aber für unwahrscheinlich halte). Bei Beschleunigen werden dem Akku also mehr als 2 C abverlangt – nicht 1 C also, aber auch weit entfernt von 10 C.
Vermutlich wird man an diesen Batterien mindestens 3000 Ladezyklen lang seine Freude haben. In der Praxis wird das von der konkreten Beanspruchung abhängig sein, und auch die Ladezyklen-unabhängige Alterung der Batterie spielt dann natürlich mit hinein.

Zukunftsmusik
Natürlich ist die Batterie-Entwicklung noch lange nicht an ihrem Ende angelangt. Lithium-Luft-Akkumulatoren etwa versprechen extreme Energiedichten (ein mehrfaches der aktuell besten Lithium-Akkus!), sind aber momentan noch nicht serienreif.
Ich vermute, dass auch manch großer Autohersteller in seinen Entwicklungslaboren sein eigenes Süppchen kocht – schon heute lässt die allgemeine Bezeichnung „Lithium-Ionen-Akku“ nur vermuten, was genau in den Fahrzeugen verbaut ist.
In den nächsten Jahren ist mit Sicherheit mit einer weiteren Verbesserung der Energiedichte, vor allem aber auch mit einer deutlichen Verringerung der Preise zu rechnen.

Finanzierung
Wie schon angemerkt ist die Batterie meist das mit Abstand teuerste Einzelteil in einem Elektroauto. Einige Autohersteller – zum Beispiel Renault und Mercedes – wollen daher ihre Autos ohne Batterie verkaufen. Der Anschaffungspreis des Elektroautos selbst wird dadurch wesentlich attraktiver. Die Batterien müssen dann gemietet/geleast werden. Renault gibt, je nach Größe der Batterie, momentan Preise zwischen € 50,– und € 82,– monatlich an – allerdings bei lediglich 10.000 km/Jahr, was für mich beispielsweise zu wenig wäre. Dafür hat man garantiert immer eine Batterie mit mindestens 75% der ursprünglichen Kapazität im Auto.
Größere Kilometerpakete werden natürlich auch erhältlich sein, Renault gibt dazu momentan auf der Website aber keine Preise an.
Für mich wäre das ein sehr interessantes Angebot. Es reduziert den Anschaffungspreis und gibt beim Unsicherheitsfaktor Akku Sicherheit. Bei Vergleichsrechnungen mit Verbrennern kann man diesen Wert gewissermaßen als „Verbrauch“ mit ansetzen, ohne zu sehr ins Blaue spekulieren zu müssen. (Wichtig dann natürlich, die Inspektionen und Verschleißteile beim Verbrenner ebenso mitzurechnen, was nicht ganz einfach ist. Darauf werde ich in einem späteren Post noch kommen.)

Fazit
Die Batterien sind nicht nur eine der größten Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen und ein großer Preisfaktor – für mich stellen sie auch das größte Fragezeichen beim Kauf eines Elektroautos dar.
Unverständlicherweise geben die meisten Hersteller kaum Daten zu ihren Batterien an und lassen den Kunden so im Ungewissen, zumindest die Hersteller von den interessanten Fahrzeugen, die erst nächstes Jahr erscheinen sollen.
Teils fehlen sämtliche Angaben, oder es ist nicht einmal eine Kapazität angegeben. Die Anzahl der Ladezyklen gibt praktisch niemand an.
Ich verstehe schon, dass das natürlich auch für die Hersteller problematisch ist. Schließlich gibt es noch keine richtigen Vergleichswerte aus dem massenhaften Einsatz solcher Fahrzeuge, und wie soll man die Lebensdauer sinnvoll angeben, wenn sowohl viele Ladungen als auch schlichtes Alter eine Rolle spielen?
mia electrics zum Beispiel gibt drei Jahre oder 50.000 km Garantie auf die Batterie, sagt aber nirgends, was „Garantie“ eigentlich heißt: Ersatz nur, wenn gar nichts mehr geht oder auch wenn die Kapazität unter 80% sinkt?
Und überhaupt, was sind schon drei Jahre? Ich hätte schon gerne die Sicherheit, dass ich innerhalb der nächsten fünf Jahre nach Kauf eines Neuwagens nicht plötzlich über € 5.000,– investieren muss, um weiterhin die 40 km zur Arbeit bewältigen zu können – auch im Winter mit zwei Mitfahrern.
Und selbstverständlich bleibt bei mia (wie auch bei den meisten anderen) völlig unklar, was der Ersatz der Batterie überhaupt kosten würde.
Das gefällt mir gar nicht – wahrscheinlich deutlich mehr als ein Viertel des Wagenwertes ist ein Verschleißteil, und keiner sagt mir, wie lange es halten wird.
Deshalb finde ich die Miet-/Leasingmodelle so attraktiv. Natürlich müsste man sich die Konditionen sehr genau durchlesen, um herauszufinden, ob man damit nicht noch mehr über den Tisch gezogen wird – zum Beispiel bei vorzeitiger Kündigung wegen Fahrzeugverkaufs oder bei den Bedingungen zum tatsächlichen Austausch der Batterie.
Wenn die Konditionen in Ordnung sind, wäre das aber ein Modell, mit dem ich mich sehr gut anfreunden könnte.

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