Da hat Google am Mittwoch einen echten Paukenschlag gelandet: Einfach so, mir nichts, dir nichts, wird ein fertiges Social Network aus dem Hut gezaubert. Und ganz anders als bei früheren Versuchen wie Google Buzz, das die meisten hierzulande nicht einmal kennen dürften, hat Google diesmal vieles richtig gemacht.
Der neue Dienst sieht toll aus und lässt sich klasse bedienen – vieles läuft per Drag&Drop, alles ist schnell, gut verständlich und aufgeräumt. Facebook wirkt dagegen sehr altbacken und träge und vor allem extrem kompliziert – was bei Facebook seitenweise kaum verständliche Einstellungen sind, ist bei Google eine einzige Seite, die klar und deutlich ist und zumindest nach einer ersten Einarbeitung in das Konzept von Google+ auch keine Fragen offen lässt.
Denn eines ist natürlich klar: Google+ ist keine 1:1-Kopie von Facebook. Es gibt eigene Konzepte, die zwar so fast alle auch anderswo schon zu sehen waren, die aber für den wechselwilligen Facebook-User zunächst einmal eine Umgewöhnung bedeuten und verstanden werden müssen.
Circles (Kreise)
Das ist der größte Unterschied zwischen Facebook und Google: Circles oder Kreise. Das sind Gruppen, in die man seine Kontakte einordnet.
Auch Facebook bietet die Möglichkeit, Gruppen zu erstellen, dort ist aber etwas völlig anderes damit gemeint: Eine Facebook-Gruppe ist so etwas wie ein Mailverteiler. Man sendet etwas an die Gruppe, und alle Gruppenmitglieder können es lesen. Außerdem kann jedes Gruppenmitglied selbst auch Mitteilungen an die Gruppe schreiben. Jeder kann Andere zu Gruppen hinzufügen (die dann selbst wieder austreten müssen, wenn sie das nicht wollen), jeder kann zumindest einen Antrag an den Gruppen-Administrtor (meist der Gründer) stellen, um einer Gruppe beizutreten.
Update: Eben auf Hinweis von Thomas gefunden: Neben Gruppen gibt es auch Listen, und die stellen diese Funktionalität zur Verfügung. Es ist aber extrem umständlich, sie zu benutzen.
Kreise bei Google+ sind etwas ganz anderes: Mit ihnen organisiert der User seine eigenen Kontakte, teilt sie ein in Freunde, Bekannte, Familie, Kollegen und so weiter. Ein Kreis ist nichts Öffentliches; ich könnte jemanden in den Kreis „Deppen“ einordnen, und er würde nicht wissen, wie ich ihn kategorisiert habe.
Kreise dienen dazu, eigene Nachrichten nur bestimmten Leuten zugänglich zu machen. Von der Party gestern Abend sollen meine Freunde erfahren, aber nicht meine Kollegen oder mein Chef, und vielleicht auch nicht die Familie. Also ordne ich meinem Status-Update nur den Kreis „Freunde“ zu. Alle anderen können es nicht sehen. Und wenn ein Kollege auch ein Freund ist, wird er eben in beide Kreise eingeordnet.
Umgekehrt kann ich auch in meinem Stream (das, was in Facebook die Neuigkeiten sind) einen Kreis auswählen und bekomme dann nur die Nachrichten aus diesem Kreis angezeigt. Das ist besonders praktisch, wenn man seit Längerem nicht mehr reingeschaut hat – das ganze Rauschen vieler Kontakte mit all ihren Youtube-Links und „Gefällt mir“-Posts kann ausgeblendet und nur auf die Posts enger Freunde beschränkt werden. Die anderen sind erst einmal nicht so wichtig.
Anders als bei Facebook kann jeder erst einmal von sich aus anfangen, mir seine Status-Updates zu schicken, er muss nicht erst mein „Freund“ werden. Sinnvollerweise tauchen diese Nachrichten aber nicht im normalen Stream auf. Nur, wenn man auf „Nicht in Kreisen“ klickt, um die Nachrichten derjenigen anzuzeigen, die mit einem teilen, die man aber noch nicht einem Kreis zugeordnet hat, kann man sie sehen. Erst wenn man so einen Kontakt einem Kreis zugeordnet hat, tauchen seine Nachrichten auch im normalen Stream auf. Natürlich kann man Spammer auch ganz blockieren.
Wenn ich eine Nachricht poste, habe ich die Möglichkeit, entweder bestimmte Kreise oder auch einzelne Personen auszuwählen, die sie sehen können, „Meine Kreise“ zu nehmen, so dass die Nachricht für die Insassen aller meiner Kreise zugänglich ist, „Erweiterte Kreise“ um sie auch „Freunden von Freunden“ zu zeigen, oder sie ganz öffentlich zu machen – dann sieht sie jeder Besucher meines Profils, ob ich ihn kenne oder nicht, und sie kann auch von Suchmaschinen gefunden werden.
Dadurch fällt das Facebook-Problem weg, dass man entweder seine „Freunde“ auf Leute beschränken muss, mit denen man tatsächlich befreundet ist, oder sich immer überlegen muss, was man denn nun bei Facebook sagen kann und was nicht.
Update: Stimmt nicht ganz, siehe Update oben.
Das ist der wichtigste Unterschied zu Facebook, der Punkt, der für „Überläufer“ zunächst einmal am schwierigsten zu verstehen sein wird – und der größte Vorteil gegenüber Facebook.
Weitere Funktionen in Kürze
Hangouts sind Video-Chaträume. Bis zu zehn Leute können so gleichzeitig miteinander mit Audio und Video konferieren. Auf Wiedersehen Skype, Du bist überflüssig geworden. Voraussetzung ist lediglich die Installation eines entsprechenden Plugins für den Browser. Natürlich kann man auch auf Video verzichten und sich nur unterhalten. Außerdem gibt es einen „YouTube-Kanal“ im Hangout, in dem sich die Teilnehmer gegenseitig YouTube-Videos vorführen können. Von Smartphones aus kann man Hangouts (noch) nicht benutzen.
Huddle gibt es nur in der mobilen Version. Es ist dafür gedacht, sich mit mehreren Personen in Echtzeit auszutauschen, etwa um einen Termin zu finden. Wohl eine Art Multi-User-Chat, auch als Ersatz für WhatsApp und Konsorten. Ich habe es noch nicht getestet.
Sparks ist das Feature, mit dem ich persönlich am wenigsten anfangen kann – es ist wohl für Leute gedacht, die sich vorm Computer langweilen und nicht wissen, was sie tun sollen, was mir eher selten passiert. :-) Man kann über Stichwörter eigene Interessen angeben und bekommt dann aktuelle News und Artikel aus dem Netz zu diesem Thema.
Im
Profil kann ähnlich wie bei Facebook für jedes einzelne Element festgelegt werden, wer es sehen darf (nur ist es bei Google+ einfacher zu durchschauen und wesentlich praktischer gelöst).
Eine
App für Android ist bereits verfügbar, für iPhone und iPad ist eine angekündigt (zumindest für
manche andere mobile Betriebssysteme wird es in Zukunft sicher auch Apps geben). Einstweilen und mit anderen Systemen kann man die mobile Website benutzen. Die Android-App wirkt aufgeräumt und gut durchdacht und ist im Gegensatz zur Facebook-App auch richtig flott. Auf Wunsch werden alle Fotos automatisch in ein privates Picasa-Album hochgeladen und können dann in Google+ direkt freigegeben werden, ohne dass man sie umständlich suchen und hochladen müsste.
Chat gibt es in Form des schon von Google Mail her bekannten Chats Google Talk.
Freunde finden
Zur Nutzung des Dienstes ist ein Google-Konto nötig. Wer dort bereits ein gefülltes Adressbuch vorhält, hat gleich eine ganze Menge Vorschläge, welche Leute er einladen könnte. Jemanden zu finden, der schon auf Google+ ist, ist momentan natürlich noch eher unwahrscheinlich, da der Dienst erst seit Mittwoch überhaupt öffentlich existiert.
Außerdem ist es möglich, Adressbücher von Yahoo und Hotmail hochzuladen (und das wurde inzwischen auch freigeschalten).
Wer Google Chrome nutzt, kann mit Hilfe einer Erweiterung außerdem alle Facebook-Freunde importieren und diese dann einladen (
Anleitung hier).
Um jemanden einzuladen, kann man in der Circles-Ansicht einfach auf ihn doppelklicken.
Weitere Unterschiede zu Facebook
- Google gibt keine Daten an Dritte weiter.
- Es gibt keine Apps und Spiele. (Noch?)
- Private Nachrichten sind keine eigene Funktion an einer anderen Stelle – man sendet eben einfach eine ganz normale Nachricht, die aber nur diese eine Person sehen kann.
- Wenn man den Stream neu lädt, ist er nicht nach Zeit des jeweiligen Originalposts sortiert, sondern nach Zeit des letzten Kommentars. So verpasst man keine Kommentare zu älteren Posts. Wenn ein Post mit langweiligen Diskussionen nervt, weil er ständig wieder vornedran steht, kann man ihn auch ignorieren (Kreuz oben rechts).
- Die Tools zum Betrachten von Fotos sind genial und wirklich sehr viel besser als bei Facebook.
- Ist man bei anderen Google-Tools eingeloggt, zum Beispiel bei Google Mail, sieht man automatisch einen rechts oben einen Zähler, wo neue Benachrichtigungen angezeigt werden. Man muss auch nicht umständlich zu Google+ wechseln, um deren Inhalt dann anzusehen, das geht direkt in der dann aufgehenden Box. Sehr clever gelöst.
- Intuitiver, einfacher, schneller, schöner.
Teilnehmen
Mittlerweile ist Google+ für Jedermann freigegeben worden, es ist keine Einladung mehr nötig. Einfach auf der
Google+-Seite mit einem bestehenden Google-Konto einloggen oder ein Konto anlegen, fertig.
Update: Doch nicht. Es wird einem zwar jetzt angeboten, sich mit seinem Google-Konto einzuloggen (deswegen dacht ich es geht), aber ohne Invite kommt man dann nicht rein.
In den letzten beiden Tagen hatten sich trotz „invite only“ ungeheure Mengen an Leuten angemeldet, und Google ließ zeitweise keine neuen Anmeldungen mehr zu. Das ist jetzt aber offenbar vorbei.
Datenschutz
Natürlich ist Google in Sachen Datenschutz kein Lämmchen, aber eines ist klar: Google ist in meinen Augen
viel, viel besser als Facebook.
Das liegt vor allem daran, dass Google die persönlichen Daten nicht an Dritte weitergibt. Es gibt keine Apps, die neben netten Spielmöglichkeiten vor allem die Aufgabe haben, ihre Nutzer (und deren Freunde) auszuforschen.
Wer weiß, ob Google in Zukunft Apps zulassen wird, um mit Facebook gleichzuziehen – zu hoffen bleibt dann jedenfalls, dass sie nicht sie gleichen Möglichkeiten bekommen, wie Facebook-Apps sie haben.
Google selbst wird dadurch also noch mehr von uns erfahren. Die Such-Historie kann bei immer eingeloggtem Google-Konto mit einer konkreten Person verbunden werden, und das auch über mehrere Computer und/oder Browser hinweg. Dazu E-Mails, und jetzt auch noch Social Network …
Da kommen richtig viele und sehr konkrete Daten zusammen. Ob man das alles einem einzelnen Anbieter anvertrauen will, muss jeder selbst wissen.
Meine persönliche Meinung ist, dass Google eines der ganz wenigen Unternehmen ist, denen ich diese Daten ohne größere Bauchschmerzen anvertrauen kann. Vor allem weiß ich (oder gehe zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass in der Privacy Policy nicht gelogen wird), dass das alles bei Google bleibt und nicht in die Hände weniger vertrauenswürdiger Dritter gelangt.
Allgemein kann man sagen: Wer bisher bei Facebook war, kann leichten Herzens zu Google+ wechseln. Wem Facebook datenschutztechnisch zu heiß war, der muss Google+ für sich selbst bewerten. Es ist sicher deutlich
weniger schlimm, aber auch ganz bestimmt nicht unproblematisch.
Echte Fallstricke wie bei Facebook gibt es kaum.
Beim Ausfüllen des Profils sind einige Voreinstellung für die Sichtbarkeit der Daten meiner Meinung nach zu locker, anders als bei Facebook sind sie aber beim Eingeben direkt sichtbar (nicht hinter dem Schloss versteckt) und können sehr einfach umgestellt werden.
Besonders positiv: Die Eingabe des Geburtsdatums, das in Verbindung mit dem Namen den Identitätsdiebstahl besonders leicht macht, ist überhaupt nicht vorgesehen.
Eine (theoretische) Pflicht zur Angabe des echten Namens wie bei Facebook gibt es nicht, der Name kann auch später problemlos geändert werden.
Update: Stimmt nicht, gibt es doch, auch wenn Spitznamen zugelassen sind.
Wer will, kann sein Profil auch komplett aus allen Suchergebnissen ausschließen. Dann kann er aber natürlich auch nur von Freunden gefunden werden, die ihn einfach anhand seiner E-Mail-Adresse hinzufügen.
Wie bei Facebook gibt es einige Daten, die grundsätzlich als öffentlich gelten: Der Name und die Profilfotos – und, was nicht auf Anhieb ersichtlich ist, die „+1“-Daten. „+1“ ist Googles Version des Like-Buttons. Den entsprechenden „+1“-Button gibt es inzwischen auf vielen Websites. Drückt man ihn auf einer Website, gilt die Tatsache, dass man diese Website mag, ebenfalls als öffentlich. (Tut man das bei Nachrichten in Google+, die nicht öffentlich sind, ist das natürlich nur für die Leute zu sehen, die auch die Nachricht sehen können.)
An einem Punkt muss man vielleicht ein bisschen aufpassen, weil man das nicht gewohnt ist:
Wenn man eine Nachricht kommentiert (oder +1 drückt), hat dieser Kommentar genau die gleiche Sichtbarkeit wie Nachricht. War die Nachricht also öffentlich für alle Internet-User sichtbar, ist auch mein Kommentar für alle Internet-User sichtbar. Deshalb ist auch an jeder Nachricht ein Hinweis zu sehen, ob sie „Öffentlich“ oder „Eingeschränkt“ verfügbar ist. Ein Klick auf „Eingeschränkt“ zeigt die Liste aller User, die die Nachricht sehen können. Bevor man etwas potentiell Peinliches kommentiert, sollte man sich also besser diese Liste ansehen. (Bei Facebook ist das mit der Sichtbarkeit von Kommentaren natürlich nicht anders, nur habe ich dort keine Möglichkeit zu sehen, wie öffentlich die Nachricht ist, auf die ich antworte.)
Fazit
Um es kurz zu machen: Ich bin begeistert!
Da hat Google wirklich einen großen Wurf hingelegt. Viele der Konzepte sind aus anderen Systemen bekannt, besonders viele davon aus Diaspora, aber es ist das erste Angebot, das ich kennengelernt habe, bei dem ich
wirklich das Gefühl habe, dass es Facebook User abjagen kann.
Und ich hoffe sehr, dass es das tun wird.
Ein erstes Angebot an meine Facebook-„Freunde“, ihnen eine Einladung zu Google+ zukommen zu lassen, hat leider kaum Reaktionen hervorgerufen – vielleicht (hoffentlich) deshalb, weil ich auch dazugeschrieben habe, dass sich Google+ noch in der Testphase befindet und meine Kontakte fast alle sehr wenig mit Computern am Hut haben.
Tatsächlich ist Google+ aber ein bereits ein fertiges, vollwertiges Produkt.
Ich wünsche mir, dass das möglichst viele Facebook-Nutzer speziell aus meinem Freundeskreis auch tun. Ich möchte Facebook hinter mir lassen, aber richtig schön wird das nur, wenn möglichst viele Leute mitkommen.
Da hat Google am Mittwoch einen echten Paukenschlag gelandet: Einfach so, mir nichts, dir nichts, wird ein fertiges Social Network aus dem Hut gezaubert. Und ganz anders als bei früheren Versuchen wie Google Buzz, das die meisten hierzulande nicht einmal kennen dürften, hat Google diesmal vieles richtig gemacht.
Der neue Dienst sieht toll aus und lässt sich klasse bedienen – vieles läuft per Drag&Drop, alles ist schnell, gut verständlich und aufgeräumt. Facebook wirkt dagegen sehr altbacken und träge und vor allem extrem kompliziert – was bei Facebook seitenweise kaum verständliche Einstellungen sind, ist bei Google eine einzige Seite, die klar und deutlich ist und zumindest nach einer ersten Einarbeitung in das Konzept von Google+ auch keine Fragen offen lässt.
Denn eines ist natürlich klar: Google+ ist keine 1:1-Kopie von Facebook. Es gibt eigene Konzepte, die zwar so fast alle auch anderswo schon zu sehen waren, die aber für den wechselwilligen Facebook-User zunächst einmal eine Umgewöhnung bedeuten und verstanden werden müssen.
Circles (Kreise)
Das ist der größte Unterschied zwischen Facebook und Google: Circles oder Kreise. Das sind Gruppen, in die man seine Kontakte einordnet.
Auch Facebook bietet die Möglichkeit, Gruppen zu erstellen, dort ist aber etwas völlig anderes damit gemeint: Eine Facebook-Gruppe ist so etwas wie ein Mailverteiler. Man sendet etwas an die Gruppe, und alle Gruppenmitglieder können es lesen. Außerdem kann jedes Gruppenmitglied selbst auch Mitteilungen an die Gruppe schreiben. Jeder kann Andere zu Gruppen hinzufügen (die dann selbst wieder austreten müssen, wenn sie das nicht wollen), jeder kann zumindest einen Antrag an den Gruppen-Administrtor (meist der Gründer) stellen, um einer Gruppe beizutreten.
Update: Eben auf Hinweis von Thomas gefunden: Neben Gruppen gibt es auch Listen, und die stellen diese Funktionalität zur Verfügung. Es ist aber extrem umständlich, sie zu benutzen.
Kreise bei Google+ sind etwas ganz anderes: Mit ihnen organisiert der User seine eigenen Kontakte, teilt sie ein in Freunde, Bekannte, Familie, Kollegen und so weiter. Ein Kreis ist nichts Öffentliches; ich könnte jemanden in den Kreis „Deppen“ einordnen, und er würde nicht wissen, wie ich ihn kategorisiert habe.
Kreise dienen dazu, eigene Nachrichten nur bestimmten Leuten zugänglich zu machen. Von der Party gestern Abend sollen meine Freunde erfahren, aber nicht meine Kollegen oder mein Chef, und vielleicht auch nicht die Familie. Also ordne ich meinem Status-Update nur den Kreis „Freunde“ zu. Alle anderen können es nicht sehen. Und wenn ein Kollege auch ein Freund ist, wird er eben in beide Kreise eingeordnet.
Umgekehrt kann ich auch in meinem Stream (das, was in Facebook die Neuigkeiten sind) einen Kreis auswählen und bekomme dann nur die Nachrichten aus diesem Kreis angezeigt. Das ist besonders praktisch, wenn man seit Längerem nicht mehr reingeschaut hat – das ganze Rauschen vieler Kontakte mit all ihren Youtube-Links und „Gefällt mir“-Posts kann ausgeblendet und nur auf die Posts enger Freunde beschränkt werden. Die anderen sind erst einmal nicht so wichtig.
Anders als bei Facebook kann jeder erst einmal von sich aus anfangen, mir seine Status-Updates zu schicken, er muss nicht erst mein „Freund“ werden. Sinnvollerweise tauchen diese Nachrichten aber nicht im normalen Stream auf. Nur, wenn man auf „Nicht in Kreisen“ klickt, um die Nachrichten derjenigen anzuzeigen, die mit einem teilen, die man aber noch nicht einem Kreis zugeordnet hat, kann man sie sehen. Erst wenn man so einen Kontakt einem Kreis zugeordnet hat, tauchen seine Nachrichten auch im normalen Stream auf. Natürlich kann man Spammer auch ganz blockieren.
Wenn ich eine Nachricht poste, habe ich die Möglichkeit, entweder bestimmte Kreise oder auch einzelne Personen auszuwählen, die sie sehen können, „Meine Kreise“ zu nehmen, so dass die Nachricht für die Insassen aller meiner Kreise zugänglich ist, „Erweiterte Kreise“ um sie auch „Freunden von Freunden“ zu zeigen, oder sie ganz öffentlich zu machen – dann sieht sie jeder Besucher meines Profils, ob ich ihn kenne oder nicht, und sie kann auch von Suchmaschinen gefunden werden.
Dadurch fällt das Facebook-Problem weg, dass man entweder seine „Freunde“ auf Leute beschränken muss, mit denen man tatsächlich befreundet ist, oder sich immer überlegen muss, was man denn nun bei Facebook sagen kann und was nicht.
Update: Stimmt nicht ganz, siehe Update oben.
Das ist der wichtigste Unterschied zu Facebook, der Punkt, der für „Überläufer“ zunächst einmal am schwierigsten zu verstehen sein wird – und der größte Vorteil gegenüber Facebook.
Weitere Funktionen in Kürze
Hangouts sind Video-Chaträume. Bis zu zehn Leute können so gleichzeitig miteinander mit Audio und Video konferieren. Auf Wiedersehen Skype, Du bist überflüssig geworden. Voraussetzung ist lediglich die Installation eines entsprechenden Plugins für den Browser. Natürlich kann man auch auf Video verzichten und sich nur unterhalten. Außerdem gibt es einen „YouTube-Kanal“ im Hangout, in dem sich die Teilnehmer gegenseitig YouTube-Videos vorführen können. Von Smartphones aus kann man Hangouts (noch) nicht benutzen.
Huddle gibt es nur in der mobilen Version. Es ist dafür gedacht, sich mit mehreren Personen in Echtzeit auszutauschen, etwa um einen Termin zu finden. Wohl eine Art Multi-User-Chat, auch als Ersatz für WhatsApp und Konsorten. Ich habe es noch nicht getestet.
Sparks ist das Feature, mit dem ich persönlich am wenigsten anfangen kann – es ist wohl für Leute gedacht, die sich vorm Computer langweilen und nicht wissen, was sie tun sollen, was mir eher selten passiert. :-) Man kann über Stichwörter eigene Interessen angeben und bekommt dann aktuelle News und Artikel aus dem Netz zu diesem Thema.
Im
Profil kann ähnlich wie bei Facebook für jedes einzelne Element festgelegt werden, wer es sehen darf (nur ist es bei Google+ einfacher zu durchschauen und wesentlich praktischer gelöst).
Eine
App für Android ist bereits verfügbar, für iPhone und iPad ist eine angekündigt (zumindest für
manche andere mobile Betriebssysteme wird es in Zukunft sicher auch Apps geben). Einstweilen und mit anderen Systemen kann man die mobile Website benutzen. Die Android-App wirkt aufgeräumt und gut durchdacht und ist im Gegensatz zur Facebook-App auch richtig flott. Auf Wunsch werden alle Fotos automatisch in ein privates Picasa-Album hochgeladen und können dann in Google+ direkt freigegeben werden, ohne dass man sie umständlich suchen und hochladen müsste.
Chat gibt es in Form des schon von Google Mail her bekannten Chats Google Talk.
Freunde finden
Zur Nutzung des Dienstes ist ein Google-Konto nötig. Wer dort bereits ein gefülltes Adressbuch vorhält, hat gleich eine ganze Menge Vorschläge, welche Leute er einladen könnte. Jemanden zu finden, der schon auf Google+ ist, ist momentan natürlich noch eher unwahrscheinlich, da der Dienst erst seit Mittwoch überhaupt öffentlich existiert.
Außerdem ist es möglich, Adressbücher von Yahoo und Hotmail hochzuladen (und das wurde inzwischen auch freigeschalten).
Wer Google Chrome nutzt, kann mit Hilfe einer Erweiterung außerdem alle Facebook-Freunde importieren und diese dann einladen (
Anleitung hier).
Um jemanden einzuladen, kann man in der Circles-Ansicht einfach auf ihn doppelklicken.
Weitere Unterschiede zu Facebook
- Google gibt keine Daten an Dritte weiter.
- Es gibt keine Apps und Spiele. (Noch?)
- Private Nachrichten sind keine eigene Funktion an einer anderen Stelle – man sendet eben einfach eine ganz normale Nachricht, die aber nur diese eine Person sehen kann.
- Wenn man den Stream neu lädt, ist er nicht nach Zeit des jeweiligen Originalposts sortiert, sondern nach Zeit des letzten Kommentars. So verpasst man keine Kommentare zu älteren Posts. Wenn ein Post mit langweiligen Diskussionen nervt, weil er ständig wieder vornedran steht, kann man ihn auch ignorieren (Kreuz oben rechts).
- Die Tools zum Betrachten von Fotos sind genial und wirklich sehr viel besser als bei Facebook.
- Ist man bei anderen Google-Tools eingeloggt, zum Beispiel bei Google Mail, sieht man automatisch einen rechts oben einen Zähler, wo neue Benachrichtigungen angezeigt werden. Man muss auch nicht umständlich zu Google+ wechseln, um deren Inhalt dann anzusehen, das geht direkt in der dann aufgehenden Box. Sehr clever gelöst.
- Intuitiver, einfacher, schneller, schöner.
Teilnehmen
Mittlerweile ist Google+ für Jedermann freigegeben worden, es ist keine Einladung mehr nötig. Einfach auf der
Google+-Seite mit einem bestehenden Google-Konto einloggen oder ein Konto anlegen, fertig.
Update: Doch nicht. Es wird einem zwar jetzt angeboten, sich mit seinem Google-Konto einzuloggen (deswegen dacht ich es geht), aber ohne Invite kommt man dann nicht rein.
In den letzten beiden Tagen hatten sich trotz „invite only“ ungeheure Mengen an Leuten angemeldet, und Google ließ zeitweise keine neuen Anmeldungen mehr zu. Das ist jetzt aber offenbar vorbei.
Datenschutz
Natürlich ist Google in Sachen Datenschutz kein Lämmchen, aber eines ist klar: Google ist in meinen Augen
viel, viel besser als Facebook.
Das liegt vor allem daran, dass Google die persönlichen Daten nicht an Dritte weitergibt. Es gibt keine Apps, die neben netten Spielmöglichkeiten vor allem die Aufgabe haben, ihre Nutzer (und deren Freunde) auszuforschen.
Wer weiß, ob Google in Zukunft Apps zulassen wird, um mit Facebook gleichzuziehen – zu hoffen bleibt dann jedenfalls, dass sie nicht sie gleichen Möglichkeiten bekommen, wie Facebook-Apps sie haben.
Google selbst wird dadurch also noch mehr von uns erfahren. Die Such-Historie kann bei immer eingeloggtem Google-Konto mit einer konkreten Person verbunden werden, und das auch über mehrere Computer und/oder Browser hinweg. Dazu E-Mails, und jetzt auch noch Social Network …
Da kommen richtig viele und sehr konkrete Daten zusammen. Ob man das alles einem einzelnen Anbieter anvertrauen will, muss jeder selbst wissen.
Meine persönliche Meinung ist, dass Google eines der ganz wenigen Unternehmen ist, denen ich diese Daten ohne größere Bauchschmerzen anvertrauen kann. Vor allem weiß ich (oder gehe zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass in der Privacy Policy nicht gelogen wird), dass das alles bei Google bleibt und nicht in die Hände weniger vertrauenswürdiger Dritter gelangt.
Allgemein kann man sagen: Wer bisher bei Facebook war, kann leichten Herzens zu Google+ wechseln. Wem Facebook datenschutztechnisch zu heiß war, der muss Google+ für sich selbst bewerten. Es ist sicher deutlich
weniger schlimm, aber auch ganz bestimmt nicht unproblematisch.
Echte Fallstricke wie bei Facebook gibt es kaum.
Beim Ausfüllen des Profils sind einige Voreinstellung für die Sichtbarkeit der Daten meiner Meinung nach zu locker, anders als bei Facebook sind sie aber beim Eingeben direkt sichtbar (nicht hinter dem Schloss versteckt) und können sehr einfach umgestellt werden.
Besonders positiv: Die Eingabe des Geburtsdatums, das in Verbindung mit dem Namen den Identitätsdiebstahl besonders leicht macht, ist überhaupt nicht vorgesehen.
Eine (theoretische) Pflicht zur Angabe des echten Namens wie bei Facebook gibt es nicht, der Name kann auch später problemlos geändert werden.
Update: Stimmt nicht, gibt es doch, auch wenn Spitznamen zugelassen sind.
Wer will, kann sein Profil auch komplett aus allen Suchergebnissen ausschließen. Dann kann er aber natürlich auch nur von Freunden gefunden werden, die ihn einfach anhand seiner E-Mail-Adresse hinzufügen.
Wie bei Facebook gibt es einige Daten, die grundsätzlich als öffentlich gelten: Der Name und die Profilfotos – und, was nicht auf Anhieb ersichtlich ist, die „+1“-Daten. „+1“ ist Googles Version des Like-Buttons. Den entsprechenden „+1“-Button gibt es inzwischen auf vielen Websites. Drückt man ihn auf einer Website, gilt die Tatsache, dass man diese Website mag, ebenfalls als öffentlich. (Tut man das bei Nachrichten in Google+, die nicht öffentlich sind, ist das natürlich nur für die Leute zu sehen, die auch die Nachricht sehen können.)
An einem Punkt muss man vielleicht ein bisschen aufpassen, weil man das nicht gewohnt ist:
Wenn man eine Nachricht kommentiert (oder +1 drückt), hat dieser Kommentar genau die gleiche Sichtbarkeit wie Nachricht. War die Nachricht also öffentlich für alle Internet-User sichtbar, ist auch mein Kommentar für alle Internet-User sichtbar. Deshalb ist auch an jeder Nachricht ein Hinweis zu sehen, ob sie „Öffentlich“ oder „Eingeschränkt“ verfügbar ist. Ein Klick auf „Eingeschränkt“ zeigt die Liste aller User, die die Nachricht sehen können. Bevor man etwas potentiell Peinliches kommentiert, sollte man sich also besser diese Liste ansehen. (Bei Facebook ist das mit der Sichtbarkeit von Kommentaren natürlich nicht anders, nur habe ich dort keine Möglichkeit zu sehen, wie öffentlich die Nachricht ist, auf die ich antworte.)
Fazit
Um es kurz zu machen: Ich bin begeistert!
Da hat Google wirklich einen großen Wurf hingelegt. Viele der Konzepte sind aus anderen Systemen bekannt, besonders viele davon aus Diaspora, aber es ist das erste Angebot, das ich kennengelernt habe, bei dem ich
wirklich das Gefühl habe, dass es Facebook User abjagen kann.
Und ich hoffe sehr, dass es das tun wird.
Ein erstes Angebot an meine Facebook-„Freunde“, ihnen eine Einladung zu Google+ zukommen zu lassen, hat leider kaum Reaktionen hervorgerufen – vielleicht (hoffentlich) deshalb, weil ich auch dazugeschrieben habe, dass sich Google+ noch in der Testphase befindet und meine Kontakte fast alle sehr wenig mit Computern am Hut haben.
Tatsächlich ist Google+ aber ein bereits ein fertiges, vollwertiges Produkt.
Ich wünsche mir, dass das möglichst viele Facebook-Nutzer speziell aus meinem Freundeskreis auch tun. Ich möchte Facebook hinter mir lassen, aber richtig schön wird das nur, wenn möglichst viele Leute mitkommen.
Google+, der erste ernsthafte Konkurrent für Facebook