Montag, 11. Juli 2011

Der Abbau der Privatsphäre und die schleichende Gewöhnung daran

Im Zuge der Einführung von Google+, meiner eigenen Begeisterung dafür und allem, was man bei einem neuen sozialen Netzwerk an Privatsphäre-Fragen zu bedenken und einzustellen hat, ist mir eines aufgefallen:
Es macht mir immer weniger aus, wenn Unternehmen immer mehr über mich wissen. Privatsphäre, früher ein sehr wichtiges Thema für mich, wird zweitrangig, meine Standards weichen immer mehr auf.
Es gab Zeiten, da wäre es für mich undenkbar gewesen, Google Mail zu nutzen. Der großen Datenkrake meine privaten E-Mails zum Lesen geben? Nie und nimmer!
Aber dann musste der Freund, der für mich MX gespielt hatte, kurzfristig seinen Server vom Netz nehmen. Ich brauchte schnell einen Ersatz und dachte an den alten GMail-Beta-Account, den ich irgendwann zu Testzwecken mal aufgemacht hatte. Und dann führte mich Mailplane in die Nutzung der Webapp ein, und ich wollte keinen Desktop-MUA mehr benutzen, weil GMail so viel besser war.
Damals hatte ich noch Bauchschmerzen bei meiner Wahl des E-Mail-Providers, speziell was die Konatkte betraf. Heute ist das selbstverständlich für mich.

Natürlich gehörte ich auch einmal zu den Leuten, die den Browser per Default grundsätzlich keine Cookies akzeptieren lassen. Nur wo es nötig ist, wurde ausgewählten Seiten das Setzen ermöglicht. Heute lasse ich das schon aus Bequemlichkeit bleiben und nutze Chrome. Mit Ghostery habe ich immer noch ein Plugin, das Trackern das Leben schwer macht, und das ich auch behalten werde. Die Zeiten, in denen ich mich über Seiten, die nur mit Cookies funktionierten, maßlos ärgern konnte, sind aber lange vorbei.

Dazu kommt noch das Messen mit zweierlei Maß, das ich an mir beobachten musste.
Auf Facebook irgendwem außer meinen „Freunden“ zeigen, mit wem ich „befreundet“ bin? NIEMALS!!11 Auf Google+ war die Liste der mit Leute in meinen Kreisen zeitweise öffentlich.
Auf Facebook hatte ich das Profil größtenteils nicht einmal ausgefüllt, um dem gruseligen Datenmonster so wenig wie möglich zum Fraß vorzuwerfen. Bei Google habe ich das alles gleich an der Pforte abgegeben, auch wenn viele Informationen nur für einige wenige meiner Kontakte sichtbar sind.
In gewisser Weise ist es meiner Ansicht nach schon berechtigt, Google etwas weniger misstrauisch zu begegnen als Facebook. Google gibt die Daten im allgemeinen nicht an Dritte weiter, und auch wenn ich die Defaults ein bisschen freizügig finde, so sind gute, „sichere“ Privatsphäre-Einstellungen nicht wie bei Facebook erst im gefühlt hundertsten Menü bestmöglich versteckt zu finden, sondern klar und offensichtlich.
Trotzdem ist es ein bisschen seltsam, dass bei mir ein und dieselbe Funktion in Facebook die Alarmglocken schrillen lässt, während sie in Google+ zumindest relativ ungefährlich wirkt.

Was habe ich mich vor etwa einem halben Jahr noch darüber aufgeregt, dass Diapora-Profile öffentlich sichtbar waren und von Google indiziert wurden! Ein echtes Bild von mir, verbunden mit dem oft benutzten Nick und einem Link zu meinem Blog, wo notgedrungen die echte Adresse im Impressum steht – das wollte ich gar nicht!
Bei der ersten erfolgreichen Anmeldung bei Google+ wurde mein Google-Profil öffentlich, und das vorher nicht vorhandene Bild reichte ich auch noch nach. Einfach so, wieder ein Mäuerchen eingerissen.
Mal ganz abgesehen davon, dass Facebook an dieser Stelle in Sachen Privatsphäre sogar die Nase vorn hat: Ein Profil ganz vor Suchmaschinen verstecken kann man nur dort, Google+ bietet diese Option nicht.

User-Tracking durch Facebook mit Hilfe des Like-Buttons? Verwerflich! Den Säcken gehört das Handwerk gelegt!
Google tut das auch, mit dem +1-Button? Nicht schön, aber sowas braucht man jetzt anscheinend … ?

Wie oben schon geschrieben: Ich halte es durchaus für berechtigt, Facebook gegenüber weit mehr Skepsis an den Tag zu legen als Google gegenüber. Als weiteres Beispiel sei genannt, dass ich bei Google+ nicht mehrere Stunden gebraucht habe, um alle Privatsphäre-Einstellungen zu finden, zu verstehen und auf sinnvolle Einstellungen zu setzen. Und https ist bei Google+ Standard.
Trotzdem ist es erschreckend, wie sehr das Privatsphäre-Schutzbedürfnis auch davon abhängt, wie sehr ich den mag, der mir anbietet, es aufzuweichen.
Was ich heute auf Google+ so alles tue und was ich alles mit anderen teile ist weit mehr als das, was ich mir dahingehend noch vor Jahresfrist hätte vorstellen können.

Was ist das? Das Aufgeben irrationaler Ängste? Die Aufweichung eigentlich sinnvoller Standards?
Beides ein wenig. Und es ist ganz schwer einzuschätzen, ob es mehr vom einen oder mehr vom anderen ist.

2 Kommentare:

  1. den richtigen namen zu verbergen bringt in wirklichkeit nicht viel.
    ich bin draufgekommen dass deine freund schon dafür sorgen dass der name erscheind.
    ich habe ein gmail konto mit falschen namen eröfnet. falsche daten, usw. denoch steht im chat der richtige name. das kann nur aus einer analyse der mails kommen oder dass mir der name vom großteil der bekannten zugeteilt wurde.

    verstecken ist sinnlos...

    e

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  2. Und deshalb hast Du auch anonym kommentiert? ;-)

    Spaß beiseite – wenn man mit Freunden kommuniziert, kommt der echte Name natürlich vor. Meistens aber nur der Vorname, was nicht wirklich viel verrät.

    Außerdem gibt es auch viele Leute, die soziale Netzwerke nutzen, um mit Unbekannten zu kommunizieren, gar keine „Real-Life-Freunde“ unter den Kontakten haben.

    Aber selbst wenn: Warum sollte mein soziales Netzwerk mir vorschreiben, wie ich mich zu nennen habe?

    Ich sollte vielleicht noch hinzufügen, dass ich Google+ mittlerweile auch den Rücken gekehrt habe. Friendica ist heute mein soziales Netzwerk der Wahl, denn da kann ich kommunizieren wie ICH will, mit meinem eigenen Server.

    Leider ohne meine Real-Life-Freunde. Aber das war auf G+ auch nicht anders. Und den Facebook-Preis zu zahlen bin ich einfach nicht mehr bereit.

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