Montag, 13. September 2010

Vorsicht bei der Immobilienfinanzierung

Oder: Auf die Immobilienkrise 2020/2021!
Wir haben uns soeben dagegen entschieden, doch ein Haus zu kaufen. Die Gründe sind vielfältig, auch wenn die derzeitige Zinssituation sehr verlockend gewesen wäre.
Im Zuge dieser Überlegungen habe ich mich natürlich intensiv mit der Materie befasst und bei vielen Banken Angebote eingeholt. Die Ergebnisse waren ganz schön erschreckend.
Das Problem
Die Zinsen für eine Baufinanzierung sind derzeit so niedrig wie noch nie zuvor. Man bekommt das Geld gewissermaßen nachgeworfen. Schon ab unter 2,5% Nominalzins sind Darlehen zu haben, mit zehnjähriger Zinsbindungsfrist ab etwa 3%.
Selbst Vollfinanzierungen sind problemlos zu bekommen, und die Zinsen dafür sind den Risiken ganz und gar nicht angemessen.
Denn: Die Zinsen werden kaum auf diesem Niveau verharren, jedenfalls dann nicht, wenn sich die aktuelle Krise nicht doch noch als Dauerkrise des Systems herausstellen sollte. Ich gehe zwar schon davon aus, dass so schnell keine Hochzinsphase mehr anstehen wird, aber Nominalzinsen um 5-6% werden sicher wieder ereicht und wahrscheinlich auch übertroffen werden.
Die Folgen
Was sich kaum jemand klarzumachen scheint ist, was das für die Anschlussfinanzierung in zehn Jahren bedeutet. Bei einer anfänglichen Tilgung von 1%, wie sie uns von fast allen Banken per Default angeboten wurde, sind nach zehn Jahren lediglich etwas mehr als 11% der Darlehenssumme getilgt, wenn man von einem Sollzinssatz von 3,00% ausgeht.
Mehr als 88% des ursprünglichen Darlehensbetrags müssen also refinanziert werden, und zwar zu ganz anderen Konditionen als jetzt. Hinzu kommt, dass die Tilgung dann auch höher sein sollte: Würde man wieder neu mit 1% anfänglicher Tilgung beginnen, würde man die Laufzeit noch mehr verlängern, die bei so einem Darlehen ohnehin schon auf mehr als 46 Jahre (!) angelegt ist. (Bei höheren Zinsen verkürzt sich diese Laufzeit zwar durch den höheren Zinsvorteil, der pro Tilgung entsteht, aber allein der Gedanke, einem um die Dreißigjährigen ein Darlehen anzubieten, das theoretisch bis weit in sein Rentenalter hinein läuft, ist eigentlich aberwitzig.)
In Zahlen
Gehen wir von einem Darlehen zu Topkonditionen aus: € 200.000,–, 3,00% Sollzins, 1% anfängliche Tilgung, Zinsbindungsfrist 10 Jahre. Die monatliche Rate für dieses Darlehen beträgt unglaubliche € 666,67 – das ist wirklich lächerlich klein; die momentan gemietete Wohnung muss nicht eimal besonders groß sein, damit unter diesen Umständen der Kauf eines Hauses (noch nicht einmal einer Eigentumswohnung!) lohnenswert erscheint. Erscheint!
Denn in zehn Jahren geht dann das große Heulen und Zähneklappern los: Bis dahin sind wir bei einer jährlichen Tilgungsrate von etwa 1,5% angekommen, die Retschuld beträgt € 176.790,76. Das einzig sinnvolle ist, jetzt mit 1,5% Tilgung weiterzumachen, sofern man das angestrebte „mietfreie Wohnen“ jemals erleben will. Besser mehr, sonst ist man bis dahin ohnehin längst in Rente.
Bei 5% Sollzins liegt die Rate plötzlich bei € 957,18 im Monat. Hoppla. Eine Steigerung um mehr als 43%!
Der durchschnittliche Sollzins der letzten Jahrzehnte lag bei etwa 7%, 5% sind also alles andere als aus der Luft gegriffen.
Bei einer Zinssteigerung auf 6,5% läge die Rate sogar bei € 1.178,07. Gestiegen um fast 77%, einfach so.
Die Beratung
Um es kurz zu machen: Bei den meisten Banken wurde dieses Problem nicht einmal erwähnt. Entweder geht man davon aus, dass jeder Häuslebauer genug von Finanzmathematik versteht (bzw. die entsprechenden Rechner im Internet nutzt), um selbst auf diese Schwierigkeiten aufmerksam zu werden, oder das Schicksal der Kundschaft ist den Beratern völlig egal, solange nur ein Darlehen abgeschlossen werden kann.
Eine Ausnahme bildeten lediglich die Deutsche Bank und die Flessabank:
Bei der Deutschen Bank werden grundsätzlich keine Darlehen mit einer rechnerischen Laufzeit von mehr als 40 Jahren angeboten, was natürlich auch Sinn macht. Dadurch hatte das Angebot einen anfänglichen Tilgungssatz von immerhin 1,25%, was zwar immer noch nicht der Wahnsinn ist, aber die Restschuld doch um ein deutliches Sümmchen drückt.
Die Flessabank dagegen bot mit Abstand die beste Beratung. Es wurde darauf hingewiesen, dass die anfängliche Tilgung bei diesen Zinsen möglichst hoch sein sollte, am besten 2% oder mehr, um dann bei der Anschlussfinanzierung keine unüberwindlichen Hürden vor sich zu haben. Zwar konnte/wollte man kein Angebot mit fünzehnjähriger Zinsbindungsfrist machen, wie es momentan aus Kundensicht eigentlich sinnvoll wäre, aber immerhin wurden die Themen angesprochen, die eigentlich jeder einzelne andere Berater ebenfalls hätte erwähnen müssen.
Die Krone der schlechtesten Beratung darf sich aber eine andere Bank aufsetzen, die ich lieber nicht namentlich nennen will. Was mir dort geboten wurde ist wirklich ungeheuerlich:
Ich sollte einen Teil des Darlehens, konkret € 75.000,–, in Form eines Bausparvertrags und einer damit verbundenen Vorfinanzierung abschließen (auf Wunsch auch mit Riester-Förderung).
Die grundsätzliche Idee dahinter ist durchaus nicht schlecht: Man erhält ein Darlehen über den gewünschten Betrag mit relativ guten Zinsen (in diesem Fall knapp 3%). Getligt wird dieses Darlehen gar nicht, der entsprechende Tilgungssatz fließt in einen Bausparvertrag. Dieser soll bis zur Zuteilungsreife angespart werden, um mit dem Bauspardarlehen dann die Vorfinanzierung abzulösen.
Vorteil: Der Bausparvertrag garantiert einen Zins von 3,5%, der in zehn Jahren wahrscheinlich ein echtes Schnäppchen sein wird. Das Zinsrisiko ist damit praktisch null. Außerdem gibt es bei einem Bausparvertrag im Gegensatz zu einem normalen Baufinanzierungsdarlehen keine Tilgungseinschränkungen, man kann so viel einzahlen wie man will, auch sehr viel auf einmal, wenn man erbt oder im Lotto gewinnt.
Klingt super, oder? Leider gibt es ein großes Problem, das von der Beraterin mit keinem Wort erwähnt wurde:
Damit ein Bausparvertrag zuteilungsreif wird, man also die Bausparsumme ausgezahlt bekommen kann, muss er zu 40% befüllt sein. Bis zum Ende der Zinsbindungsfrist nach zehn Jahren wäre diese Befüllung aber nicht annähernd erreicht gewesen. Konkret hätten wir „mal eben“ um die € 20.000,– „Sondertilgung“ leisten müssen, um das Bauspardarlehen, mit dem die Vorfinanzierung abgelöst werden sollte, überhaupt erhalten zu können.
Als ich die Beraterin darauf ansprach, war sie nicht einmal peinlich berührt, sondern sagte nur, man könne ja bei einem Bausparvertrag problemlos jederzeit mehr einzahlen. Nur: Von welchem Geld? Schließlich hatte ich ihr zuvor unsere Finanzsituation dargelegt, und ihr musste klar sein, dass bei der Gesamtbelastung nichts für „mal eben ein paar Tilgungen zwischendurch“ übrig sein würde, geschweige denn € 20.000,–.
Da kommt fast schon das Gefühl auf, manche Bank wolle ihre Kunden absichtlich in den Ruin treiben.
Die Perspektive
Einer der Berater erwähnte, dass die Immobilienpreise momentan kräftig steigen, weil sich plötzlich so viele Leute eine Immobilienfinanzierung leisten können.
Ich frage mich, ob eigentlich irgendwer auch an die Zukunft denkt. Die Kunden der Banken einerseits, die sich ihre finanziellen Möglichkeiten schönreden und von den Zinsen in zehn Jahren nichts wissen oder nichts wissen wollen. Die Banken andererseits, die unmöglich allen ernstes davon ausgehen können, dass all diese Darlehen in zehn Jahren tatsächlich refinanziert werden können.
Man muss kein studierter Wirtschaftstheoretiker sein, um jetzt schon absehen zu können, was in den Jahren 2020/2021 passieren wird: Große Mengen von Immobilienfinanzierungen platzen, weil die Darlehensnehmer nicht in der Lage sind, die Anschlussfinanzierung zu bezahlen.
Mit Glück führt das (neben einer Menge schlimmer Schicksale) „nur“ zu günstigen Immobilien in diesem Zeitfenster, und zu einem deutlichen Anstieg der Zwangsversteigerungen. Mit Pech zeichnet sich hier die nächste Finanzmarktkrise schon am Horizont ab.

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