Montag, 17. Januar 2011

Verkümmertes Vorbild wegen Internet

Hier der für mich aufrüttelndste Artikel seit Jahren:
Johnny Haeusler überlegt bei Spreeblick, woher Kinder ein kulturelles Vorbild nehmen sollen, wenn die Eltern quasi unsichtbar sämtliche Kultur aus dem Internet beziehen.
Denn: Statt der Zeitung auf dem Tisch, die interessiert durchgeblättert werden kann, schaut Papa ins Laptop.
Statt der CD- oder Plattensammlung, die der Nachwuchs sich mehr oder weniger heimlich zu Gemüte führen könnte, gibt es MP3-Bibliotheken, die letztlich zu umfangreich und vor allem für die Zöglinge meist nicht zugreifbar sind. Die außerdem nicht die Möglichkeit bieten, Interessantes nach Cover auszusuchen (oder zumindest normalerweise so nicht genutzt werden).
Statt Büchern gibt es eBook-Reader, deren Inhalt für die Kinder ebenfalls nicht einfach so bei der Hand ist, wie das bei einem Buch der Fall wäre.
Fernsehnachrichten? Wer schaut die schon noch an?
Dazu kommt noch, dass all das grundsätzlich über die gleichen Geräte passieren kann. Für die Sprösslinge ist nicht unbedingt ersichtlich, ob Mama gerade ein Buch liest, sich über Neuigkeiten aus Politik und Wirtschaft informiert, Facebook aktualisiert, lustige Youtube-Videos konsumiert oder auf der Suche nach neuen Pornos ist.
Damit geht die Vorbildfunktion zumindest teilweise verloren: Lesen Mama und Papa viele Bücher, tun das meist auch ihre Kinder mit großem Vergnügen. Wenn mein Kind aber gar nicht mehr weiß, dass ich gerade ein Buch lese, wie sollte diese Verhaltensweise auf es überspringen?
Es ist eine Binsenweisheit, dass alle Erziehung vergebens ist, wenn das eigene Vorbild eine andere Sprache spricht – das alltägliche Verhalten der Eltern trägt viel mehr zur Formung der Kinder bei als jeder absichtliche Versuch in dieser Richtung.
Was aber, wenn wichtige Teile dieses Verhaltens von den Kindern gar nicht mehr wahrgenommen werden können, weil sie sich für sie quasi unsichtbar im Internet vollziehen?
Das ist ein extrem wichtiger Punkt, über den ich bisher noch überhaupt nicht nachgedacht hatte.
In unserem Haushalt ist das glücklicherweise noch nicht so fortgeschritten. Die Zeitung kommt zwar aus dem Netz, wird aber ausgedruckt. Ein eBook-Reader ist zwar vorhanden, 90% der Bücher sind aber immer noch „echt“, und andere Geräte werden gar nicht zum Bücherkonsum genutzt. Und Musikkonsum spielt im Vergleich zum Selber-Musizieren ohnehin eine deutlich untergeordnete Rolle.
Trotzdem ist die Tendenz erkennbar. Eine Tendenz, über die sich meiner Meinung nach alle Eltern zumindest Gedanken machen sollten.

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