Freitag, 16. Oktober 2009

eBooks und DRM

Das hier sollten sich die großen Panikmacher in den deutschen Verlagen einmal auf der Zunge zergehen lassen: O'Reilly-Bücher verzeichnen einen zweiten deutlichen Umsatzsprung (der erste findet bei Erscheinen statt), sobald sie in Tauschbörsen auftauchen.
Satte 90% Umsatzplus gibt es Schnitt, sobald ein Buch kostenlos online zu haben ist. Dabei wäre gerade bei O'Reilly, wo nicht der geringste Kopierschutz benutzt wird und außerdem der Inhalt für Tauschbörsennutzer besonders interessant ist, ein besonders hoher Verlust zu erwarten gewesen.
DRM an sich muss nicht schlecht sein – es darf nur nicht einschränkend wirken. Die Erfahrungen der Musikbranche zeigen, was funktioniert und akzeptiert wird:
  • Nutzung auf beliebig vielen Geräten muss möglich sein. Wer sich öfter neue Geräte kauft, darf dadurch nicht gezwungen werden, entweder rechtswidrig den Kopierschutz zu umgehen oder für einen bereits erworbenen Titel noch einmal zu bezahlen.
  • Die Angebote müssen günstiger sein als als das entsprechende „Real-Life-Medium“, um es einmal so zu bezeichnen. Jedem Käufer ist klar, dass das Label bzw. der Verlag weniger für die Bereitstellung von Online-Inhalten zahlen muss als wenn eine CD oder ein Buch produziert, verpackt und transportiert werden muss. Diesen Geldvorteil wollen die Kunden auch am Preis sehen, sonst fühlen sie sich abgezockt, zumal sie für einen Teil der Transportkosten durch ihren Internetanschluss ja sogar selbst aufkommen. Für manche User ist eine überhöhte Preispolitik gerade der Grund, sich nach gecrackten Angeboten umzusehen.
  • Kopierschutz funktioniert sowieso nicht. Meines Wissens gibt es keinen einzigen Versuch, digitales Kopieren zu verhindern, der nie geknackt wurde. Dadurch ergibt sich die Situation, dass die diejenigen, die sich illegal Inhalte besorgen wollen, auch mit Schutz problemlos ihr Ziel erreichen, während die ehrlichen Kunden in der Nutzung der bezahlten Inhalte eingeschränkt werden.
  • Digitale Wasserzeichen sind ok. Die Praxis zeigt, dass Kunden es akzeptieren, wenn ein heruntergeladenes Objekt die Rückverfolgung zu seinem Käufer ermöglicht. Das ist auch logisch, da nur ein verschwindend geringer Bruchteil der Kunden überhaupt vorhat, die erworbene Ware in Tauschbörsen anzubieten. Natürlich lässt sich auch dieser Schutz entfernen; er setzt aber zumindest eine kleine Hürde vor das beliebige Weitergeben des Objekts.
Statt sich ständig ins Hemd zu machen, weil bestimmt alle eBooks sofort überall weitergetauscht werden und sowieso keiner mehr dafür bezahlt, sollte sich die Verlagsbranche lieber die Chancen klarmachen, die in eBooks stecken:
  • Stark reduzierte Kosten in Produktion und Vertrieb. Teilweise sollten diese, wie oben vermerkt, an die Kunden weitergegeben werden, aber eine kleine zusätzlich Marge bleibt mit Sicherheit.
  • Neue Käuferschichten
  • Da eine Zurverfügungstellung online praktisch keine Lagerkosten und überhaupt keine Nachproduktionskosten mit sich bringt, müssen Titel nicht mehr vergiffen gemeldet werden. Natürlich werden die Käufe mit der Zeit zurückgehen, aber schon weniger als zehn Käufe im Jahr würden Gewinn abwerfen. Dadurch wären erhebliche zusätzliche Umsätze möglich, und die Kunden würden sich über den Service freuen.
  • Da im eBook-Bereich kein Gebrauchtmarkt existiert, können auch darüber zusätzliche Umsätze erschlossen werden. eBooks kann man nicht weiterverkaufen; jeder Leser muss seine eigene Kopie neu im Buchhandel erwerben.
Ich frage mich wirklich, wo die große Angst der Verlage herrührt. Wohl von den Verlusten, die die Musikbranche in den letzten Jahren eingefahren hat?
Ja, die Musikbranche ist ein gutes Beispiel: Sie hat von Anfang an alles falsch gemacht. Erst gab es gar keine offiziellen Angebote, dann nur schlechte, und erst im letzten Jahr, nach etwa einem Jahrzehnt des Lavierens, wurden Angebote geschaffen, wie die Kunden sie sich von Anfang gewünscht hatten.
Ist es da ein Wunder, dass die Kundschaft in großen Zahlen auf illegale Angebote auswich?
Die deutsche Verlagsbranche zeigt derzeit leider genau die selben Symptome wie die Musikbranche vor einigen Jahren: Obwohl der Markt boomt, werden nur sehr zögerlich überhaupt Angebote geschaffen. Die sind aber zu teuer und mit zu restriktivem DRM ausgestattet.
Warum will man nicht aus den Fehlern anderer lernen?

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