Durch eine aktuelle Studie, die u.a. in der Netzeitung zitiert und erklärt wird, sind sogenannte „Neuro-Enhancement-Präparate“ oder auch NEPs etwas mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt. Um ein anderes Buzzword zu benutzen: Gehirn-Doping.
Beides sind eher positiv bzw. negativ aufgeladene Begriffe, die von Gegnern und Befürwortern dieser Medikamente benutzt werden.
Um es klar auszudrücken: Es geht darum, bewusstseinsverändernde Substanzen einzunehmen, die die Leistungsfähigkeit steigern oder das Allgemeinbefinden verbessern sollen.
Diese Definition zeigt das Problem: Was von Befürworten hübsch mit neurologischer Verbesserung umschrieben wird, unterscheidet sich nicht im Geringsten vom klassischen Drogenkonsum. Sogar die Zielgruppen sind die gleichen:
Ähnlich wie in manchen Bereichen des höheren Managements Kokain zum guten Ton gehört, Speed für lange Arbeitsnächte zur Verfügung steht, versprechen neue Präparate Leistungssteigerungen in den Bereichen Selbstvertrauen und Durchhaltevemögen.
Neue Pillen zum Glücklichsein werden dagegen eher Nutzer von MDMA (Bestandteil von Ecstasy) oder THC (Hauptwirkstoff von Cannabisprodukten) ansprechen.
Und natürlich werden damit ganz neue Käufergruppen erschlossen: Legal soll das ganze nach dem Willen der Studienautoren werden; man verbiete ja auch nicht den Zigarettenkonsum oder das Online-Spielen.
Wenn da mal nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden: Ja, Online-Spiele können süchtig machen. Abgesehen von den sozialen Folgen jeder Sucht sind aber kaum körperliche und wenig psychische Nebenwirkungen zu erwarten – ganz anders als bei NEPs. Und Zigaretten erzeugen körperliche Sucht und schädigen den Körper, eine Bewusstseinsveränderung tritt dabei aber kaum ein.
Ich stimme mit den Autoren der Studie allerdings überein, dass eine breite gesellschaftliche Diskussion über das Thema wichtig wäre.
Momentan läuft das Geschäft vor allem über illegale Kanäle. Es werden verschreibungspflichtige Medikamente wie Ritalin aus dubiosen Quellen besorgt oder es wird gleich zu illegalen Drogen gegriffen.
Dass das so nicht sinnvoll ist, ist klar. Bei illegalen Drogen ist die Zusammensetzung und Dosis oft nicht erkenntlich, und die Wirkung verschreibungspflichtiger Medikamente auf Gesunde wird im allgemeinen nicht getestet. Studien zu Langzeitfolgen fehlen ebenso.
Die Autoren plädieren letztlich für ein Recht zur Bewusstseinsveränderung. Diese Forderung war in den letzten Jahrzehnten eher von Befürwortern einer weitgehenden Drogenlegalisierung zu hören.
Die Erfolgsaussichten für solche Versuche dürften jetzt aber wesentlich höher stehen: Die Pharma-Lobby hat in Deutschland schon immer ein hohes politisches Gewicht gehabt, und mit solchen Präparaten wäre ungeheures Geld zu verdienen.
Die Entwicklung muss auch nicht unbedingt schlecht sein, denn natürlich werden die Pharmakonzerne im Wettbewerb versuchen, die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten. Ein bereits existierendes Beispiel dafür ist Ritalin, das, zerstoßen und geschnupft, auf Gesunde eine Wirkung haben soll, die der eines milden Speed-Trips ähnlich ist – nur ohne „Runterkommen“ und mit weniger sonstigen Nebenwirkungen. Kein Wunder, dass viele angebliche ADHS-Kinder ihre Pillen lieber auf dem Schulhof verkaufen als sie selbst zu nehmen.
Problematisch ist dagegen der moralische Druck, der durch eine breite Verfügbarkeit solcher Mittel erzeugt werden könnte.
Eine nahestehende Person ist gestorben? Kein Grund, zu Hause zu bleiben! Es gibt schließlich Pille x, damit wirst du gar nicht mehr daran denken müssen!
Du bist überarbeitet und leidest unter Stress? Tut mir ja leid, aber wenn Du Dir zu fein bist, um Pille y zu nehmen, wirst Du Dir leider einen neuen Job suchen müssen!
Das klingt nicht nach erstrebenswerten Zukunftsaussichten. Zumal solche Wirkungen ganz ohne Nebenwirkungen selbstverständlich nicht zu haben sind.
Ich glaube nicht, dass es möglich sein wird, die Leistung oder das Glücklichsein einfach so zu steigern, ohne auf die eine oder andere Weise dafür zu bezahlen.
Vielleicht gelingt es den Pharmafirmen, einen angenehmen Glücksrausch zu entwickeln, der nicht dazu führt, dass der Kopf noch während des ganzen nächsten Tages in Watte gepackt ist wie bei THC. Vielleicht erfinden sie Substanzen, die Aufmerksamkeit und Arbeitswillen steigern, ohne gewissenlose Egomanen zu produzieren, wie Kokain es tut.
Insgesamt wird aber das künstliche Glück nicht ohne die folgende Ernüchterung (oder das Halten des Spiegels -> Sucht) zu haben sein, drei Tage Durcharbeiten nicht ohne massive Ermüdung (oder Sucht und/oder psychische Schäden).
Deshalb bleiben Drogen Drogen, auch wenn man sie Neuro-Enhancement-Präparate nennt.
Entsprechende Ehrlichkeit im Diskurs wäre wünschenswert.
Immerhin wäre das Geschäft dann von der Drogen-Mafia hin zu den Pharmakonzernen verschoben. Ob das Geld dort besser aufgehoben ist, sei einmal dahingestellt, aber immerhin ginge keine zusätzliche Gefahr mehr vom Gepansche der Drogenverkäufer aus.
Soll man so eine Entwicklung befürworten? Den internationalen Drogenkartellen den Boden zu entziehen wäre sicher ein guter Schritt, auch die Probleme, die mit den zwielichtigen Quellen illegaler Drogen und verschreibungspflichtiger Medikamente ohne Rezept zusammenhängen, ließen sich dadurch einschränken.
Andererseits würde die legale Verfügbarkeit solcher Substanzen deren allgemeinen Gebrauch auch massiv erhöhen, was weniger erstrebenswert ist.
Die Abwägung ist schwierig, Ehrlichkeit in der Diskussion umso wichtiger.
Die Frage muss deshalb lauten: Wollen wir neue, bessere Drogen mit weniger Nebenwirkungen legal verfügbar machen oder sollte deren Verkauf/Beschaffung illegal bleiben?
Donnerstag, 15. Oktober 2009
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